Fünf Fachorganisationen für Betroffene sexualisierter Gewalt, darunter die Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt (BKSF), haben nach dem rückwirkenden Antragsstopp scharfe Kritik geübt und ein Schreiben an den Koalitionsausschuss geschickt. Sie fordern, die Hilfen zu erhalten und die dafür nötigen Mittel im Bundeshaushalt bereitzustellen. Dem schließen wir vom KINDERSCHUTZ MÜNCHEN uns vollumfänglich an. Wir fordern, keine Einsparungen auf Kosten von Betroffenen sexualisierter Gewalt vorzunehmen.
Stefan Port, Teamleitung der Fachberatungsstelle KIBS des KINDERSCHUTZ MÜNCHEN, zu der auch die Anlaufstelle für Betroffene, die seit 1945 aufgrund einer stationären Unterbringung durch die Landeshauptstadt München in Heimen, stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen und/oder einer Pflege- oder Adoptionsfamilie Gewalt erlebt haben, gehört, und Fachstellenrat bei der BKSF: „Niedrigschwellige Hilfen, vor allem wenn sie psychotherapeutische Betreuung betreffen, sind sehr wichtig für Betroffene. Wer als Kind oder Minderjährige*r sexualisierte Gewalt im familiären oder institutionellen Kontext erleben musste, benötigt häufig mehr und andere Unterstützung zur Linderung der Folgen, als die gesetzlichen Leistungssysteme gewähren. Das Leid der Betroffenen hält nicht selten Jahrzehnte an.“
Seit 2013 stellt der FSM eine wichtige Stütze für Betroffene von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend dar. Der Fonds war niedrigschwellig und unkompliziert erreichbar und ermöglichte individuelle Hilfeleistungen – insbesondere Unterstützungsleistungen, die es in den Regelsystemen, etwa im Gesundheitsbereich, so nicht oder nicht ausreichend gibt – zum Beispiel zusätzliche Therapiestunden, wenn die Kontingente bei den Krankenkassen ausgeschöpft sind, oder das Nachholen von Bildungsabschlüssen. In unserer Anlaufstelle, die wir im Zuge der Aufarbeitung der Landeshauptstadt München betreiben, erfahren wir übrigens tagtäglich direkt aus erster Hand von genau solchen Schicksalen.
Durch den Fonds fand das erlebte Leid gesellschaftliche Anerkennung, was einen ganz wichtigen Umstand im Heilungsprozess ausmacht. Zudem ist der Fonds nicht an einen Nachweis gesundheitlicher Schäden gebunden, sondern bezweckt vielmehr, die Lebenssituation der Betroffenen ganzheitlich zu verbessern.
Die derzeitige Ungewissheit über die zukünftige Ausgestaltung des Fonds Sexueller Missbrauch ist besorgniserregend. Zudem bedeuten die aktuell geltenden Vorgaben bei der Antragstellung und Hilfegewährung eine Zunahme der Belastungen für die Betroffenen und einen erheblichen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand für Fachberatungsstellen, die Betroffene bei der Antragstellung unterstützen. Angesichts der ohnehin begrenzten Ressourcen von Fachberatungsstellen sind zusätzliche und unentgeltliche Beratungsleistungen oft nicht mehr leistbar.
Wir sind ganz auf der Seite der Verbände und fordern die Bundesregierung auf, dass der Fonds fortgeführt wird und es keine Einsparungen auf Kosten der Betroffenen von sexualisierter Gewalt gibt. Menschen, die sexuelle Gewalt erfahren haben, benötigen unsere besondere Unterstützung und auch besondere Unterstützung durch den Staat. Der Fonds Sexueller Missbrauch muss durch eine gesetzliche Verankerung dauerhaft strukturell abgesichert werden.
Weitere Infos:
Fonds sexueller Missbrauch – Weißer Ring: Fonds-Aus ist beschämend und zynisch – Politik – SZ.de
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