Verlässliche Perspektiven für langjährig Geduldete – Chancengerechtigkeit für Geflüchtete und Asylbewerber*innen

Der KINDERSCHUTZ MÜNCHEN befürwortet den Gesetzesentwurf für ein Chancenaufenthaltsrecht und eine rasche Verabschiedung des Gesetzes und fordert einen gerechten und humanen Umgang mit den betroffenen Menschen. Die dramatische Abschiebung einer Familie aus Karlsfeld im Sommer dieses Jahres hat uns zu dieser Stellungnahme bewegt.

Der Gesetzesentwurf zum neuen Chancenaufenthaltsrecht betrifft Menschen, die bis zum 1. Januar 2022 seit fünf Jahren mit Duldung, Gestattung oder Aufenthaltserlaubnis in Deutschland gelebt haben. Sie sollen ein weiteres Jahr Zeit erhalten, um die Voraussetzungen für ein reguläres Bleiberecht zu erfüllen. „Uns ist es wichtig, dass dieser Gesetzesentwurf schnell Realität wird und gut integrierte Menschen geschützt in unserem Land bleiben können. Eine von uns betreute Familie hätte die Chance gehabt, unter das neue Gesetz zu fallen. Sie ist trotz starker Bemühungen kurzfristig abgeschoben worden. Das hätte nicht geschehen dürfen“, begründet Dr. Anna Laux, geschäftsführende Vorständin, die Forderung des Trägers.

Zahlreiche Bundesländer haben auf Basis der im aktuellen Koalitionsvertrag festgelegten Eckpunkte in Bezug auf das Chancenaufenthaltsrecht Abschiebungen möglicher Betroffener ausgesetzt. Im Falle der Familie Esiovwa aus dem Landkreis Dachau ist das nicht passiert. „Bei der Familie Esiovwa handelt es sich um einen humanitären Härtefall“, erläutert Julie Richardson, psychologischer Fachdienst in der Heilpädagogischen Tagesstätte des KINDERSCHUTZ MÜNCHEN, die der Sohn der Familie in Karlsfeld besuchte, die prekäre Situation der Familie. „Das Wohl der Kinder steht für uns über allem.“ Der 10-jährige Sohn ist entwicklungsverzögert. Die drei Kinder, neben dem Sohn noch zwei Töchter im Alter von 6 und 11 Jahren, sind sehr gut integriert und haben viele Freunde. Sie kennen das Land, in dem sie sich jetzt befinden, nicht. Die jüngste Tochter ist hier geboren. Der Vater ist krank, die Mutter hätte einen Tag nach der Abschiebung eine wichtige Untersuchung zur Vorbereitung auf eine Tumor-OP gehabt. Der Vater hatte seit Jahren Arbeit in einem Hotel in Ottobrunn, der Arbeitgeber wollte ihn weiterbeschäftigen. In Nigeria findet der Vater keine Arbeit, die Versorgung mit wichtigen Medikamenten und notwendigen medizinischen Geräten ist kompliziert, der Schulbesuch schwierig und der Schulweg gefährlich. Im Juli 2022 ist die gut integrierte Familie mitten in der Nacht durch die Ausländerbehörde abgeholt und nach Nigeria abgeschoben worden – kurz bevor der Fall bei der Härtefallkommission eingereicht werden konnte.

Der KINDERSCHUTZ MÜNCHEN fordert, dass auch in Bayern Abschiebungen von Geduldeten, die unter das künftige Chancenaufenthaltsrecht fallen könnten, ausgesetzt werden. Asylbewerber*innen und Geduldete mit Arbeits- und Ausbildungsverträgen sollen Arbeits- oder Ausbildungserlaubnisse erhalten und nicht abgeschoben werden. „Menschen, die seit über fünf Jahren hier leben, arbeiten und gut integriert sind, verdienen eine Perspektive, um unserer Gesellschaft erhalten zu bleiben – als Freund*innen, Nachbar*innen und Kolleg*innen“, erklärt Gülseren Demirel, Landtagsabgeordnete (Bündnis 90/Die Grünen) und Mitglied des Aufsichtsrates beim KINDERSCHUTZ MÜNCHEN. „Zudem vergeben wir die Chance, weitere dringend benötigte Arbeitskräfte zu erhalten. Bei dem akuten Fachkräftemangel ist das nicht nur humanitär unsere Pflicht, sondern auch ein echter Gewinn für den Erhalt unseres Wohlstandes.“ Gemeinsam mit allen Akteur*innen in Karlsfeld und Umgebung setzt sich der KINDERSCHUTZ MÜNCHEN dafür ein, dass Familie Esiovwa zeitnah nach Karlsfeld zurückkehren kann. Ein wichtiger Schritt, die Familie zurückzuholen, wäre das Ermöglichen der Wiedereinreise durch die Ausstellung eines humanitären Visums für eine Aufenthaltsperspektive, damit Wege zur Aufenthaltsverfestigung gegangen werden können.

Wir ermöglichen Zukunft.

Der KINDERSCHUTZ MÜNCHEN ist ein überkonfessioneller und parteipolitisch ungebundener Träger der Kinder- und Jugendhilfe, Träger von Einrichtungen der Kindertagesbetreuung sowie Vormundschafts- und Betreuungsverein mit Sitz in München. Mit vielfältigen Angeboten trägt der im Jahr 1901 gegründete gemeinnützige Verein dazu bei, dass Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Familien ihr Leben selbstbestimmt in die Hand nehmen und sich aktiv an der Gesellschaft beteiligen. Die Angebote der über 50 Einrichtungen in und um München umfassen ambulante Erziehungshilfe, Beratung bei sexuellem Missbrauch, Migrationsangebote, soziale Arbeit an Schulen, Stadtteilangebote, stationäre Erziehungsangebote, betreute Wohnformen, Kindertageseinrichtungen sowie Vormundschaften und rechtliche Betreuungen.

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KINDERSCHUTZ MÜNCHEN
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